Herbert Kohlmaier - Heribert Franz Köck, Hg.

Gedanken zu Glaube und Zeit Nr. 124 14. Juni 2014 ___________________________________________________________________________

Alfred Kirchmayr

Humor ist, wenn man trotzdem katholisch bleibt – und lacht Die heitere Dreifaltigkeit fördern

Witz gibt Freiheit und Freiheit gibt Witz (Jean Paul). Besonders in witzlosen Zeiten bedarf man des Witzes, vor allem des humorvollen. Sonst ist sehr schwer auszuhalten, was sich in der katholischen Kirchenleitung abspielt. Das gilt nicht nur für den peinlichen und verlogenen Umgang mit sexuellem und pädagogisch-sadistischem Missbrauch. Das gilt besonders auch für die Art, wie die Kirchenleitung auf die christlichen Basisbewegungen und „Aufrufe zum Ungehorsam“ reagiert. Das Motto der Kirchenleitung ist offensichtlich: „Zuerst schließen wir die Augen und dann sehen wir weiter!“ Deshalb möchte ich in Zeiten, wo sich die katholische Kirchenleitung in vielerlei Hinsicht konsequent auf Selbstzerstörungskurs bewegt, zur Förderung der heiteren Dreifaltigkeit ermuntern: Leichtigkeit, Lockerheit, Lachen. Nach der Firmung verkündet der Ortspfarrer: „Während der Bischof sich jetzt auszieht, singen wir das Lied ‚Maria breit den Mantel aus‘.“ --Es ist zweifellos nicht leicht, eingefahrene Gleise zu verlassen. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere – was auch gute Seiten hat. Besonders die Veränderung von Institutionen bedarf großer Kraftanstrengung und ungeduldiger Geduld. Trotzdem: Die herrschende Politik des Vatikans, ihre Abwehr des Geistes des Evangeliums, ihre Verachtung des letzten Reformkonzils und die Verleugnung der Erfordernisse der Moderne, kommt mir ähnlich vor wie das Verhalten dieser beiden Irren: Zwei Irre flüchten aus eine Anstalt und laufen auf den Schienen der Eisenbahn, um möglichst schnell fortzukommen. Da dreht sich der eine um und sagt: „Hinter uns kommt ein Zug!“ – Sagt der andere: „Dann müssen wir unser Gepäck wegwerfen und schneller laufen!“ – Das tun sie. Da dreht sich der eine wieder um und sagt verängstigt: „Du, der Zug

ist schon ganz knapp hinter uns!“ – Sagt der andere „Wenn jetzt nicht sofort eine Weiche kommt, sind wir verloren!“ Aus Angst, die eigene Macht und Identität zu verlieren, wird alles Fremde und Neue entwertet und das Eigene und Gewohnte idealisiert. Aber Identität entsteht nicht nur durch Abgrenzung, sondern vor allem durch Kontakt und Begegnung. Dafür ist Papst Johannes XXIII. ein wunderbares Beispiel. Er hatte keine Berührungsängste. Er war ein aufgeschlossener konservativer Seelsorger – und kein präpotenter Professor oder Großinquisitor. Er war dem Leben verhaftet, also lebhaft und heiter und nicht lehrhaft, nicht einer unfehlbaren Lehre verhaftet. Und er hatte Humor. So wird dieses Gebet von ihm berichtet: „Gott, du hast doch gewusst, dass ich Papst werde. Warum hast du mich so unansehnlich gemacht?“ - Auch dies wird von ihm erzählt: Als es wegen des Konzils zu großen Unruhen in der verkalkten römischen Kurie kam, kniete Johannes XXIII. in der Kapelle und betete voll Sorge. Da vernahm er eine Stimme von oben: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig. Ich, der Heilige Geist, bin schließlich auch noch da!“ Aber die Päpste nach ihm, vor allem Johannes Paul II. und Benedikt XVI., verhielten und verhalten sich ganz anders: Wenn die pfingstlichen Feuer zu brennen beginnen, rückt die „Feuerwehr Gottes“ im Vatikan aus, und beginnt zu löschen! Jede Menge Schläuche sind da unterwegs, mit und ohne Bischofsmützen! Was ist der Unterschied zwischen dem Papst und Gott? – Gott weiß alles. Aber der Papst weiß alles besser. --Eine recht eingeengte Sicht gibt es bei vielen Klerikern, „hohen“ und „niedrigen“: Vor der Kirche wird alles für eine Agape vorbereitet. Plötzlich kommt ein fürchterliches Unwetter und man trägt in der Not Tische, Bänke, Speisen und Getränke in die Kirche. Der Pfarrer eilt herbei: „Aber ihr könnt doch nicht in der Kirche einfach essen und trinken!“ Darauf der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats schüchtern: „Aber Jesus ja auch mit den Seinen Mahl gehalten?“ Der Geistliche empört: „Aber da war doch das Allerheiligste nicht im Raum!“ --Der folgende humorvolle Witz sagt mehr über die Unfehlbarkeit des Papstes aus als ein dickes Buch: Johannes Paul II. stirbt, gelangt vor die Himmelstür und klopft energisch an. Petrus öffnet und fragt: „Wer bist du?“ – „Ich bin der Unfehlbare!“ sagt der Papst im Brustton der Überzeugung. Petrus lächelt und antwortet: „Der Unfehlbare? Da irrst du dich gewaltig. Der Unfehlbare wohnt seit ewigen Zeiten hier. Aber irren ist menschlich, komm rein!“ Das Wort „katholisch“ leitet sich vom Griechischen „katholon“ her und bedeutet: auf alle bezogen, ganzheitlich orientiert sein. Das Gegenteil davon ist eine selbstbezogen-klerikalistische, ja fundamentalistische Auffassung des Katholischen. Genau die hat der derzeit von klerikalen Fundamentalisten beherrschte Vatikan. Er ist unfähig, sich auf den notwendigen Dialog mit aufgeschlossenen Theologen, Priestern und Laien einzulassen – und das seit Jahrzehnten. Er ist unfä-

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hig, das Wesentliche der Botschaft Jesu zu verstehen und die Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums zu deuten. --Im Herbst klettern Kinder immer wieder in den Obstgarten des Pfarrers und stehlen ihm köstliche Birnen und Äpfel. Verärgert nagelt der Pfarrer ein Schild an den Zaun mit der Aufschrift: „Gott sieht alles!“ Am nächsten Tag steht darunter geschrieben: „Aber er verrät uns nicht!“ --Ein frommer anglikanischer Priester sagt zu einem katholischen Ordenspriester: „Es gibt ein paar Dinge auf Erden, die Gott ernst nimmt: Die Religion gehört nicht dazu.“ Diese klerikale Selbstironie, so ist zu vermuten, verstehen katholische Fundamentalisten als zynische Entgleisung. Dabei legen die Aussagen der Bergpredigt und der Gerichtsrede eben dies nahe: Es geht im Christentum ums Mensch-Werden mit allen Facetten, nicht um den klerikalen Überbau. --Der klerikale Witz lebt von den Widersprüchen zwischen Ideal und Realität, Göttlichem und Menschlichem, Zeitlichem und Ewigem. Ähnlich einer Anekdote kommt in der kurzen Witzgeschichte das Ganze im Fragment verdichtet zum Ausdruck. Und ein freier, ein von ideologischer Vernebelung befreiter Mensch kann auch über sich selber lachen. Friedrich Heer versteht den klerikalen Witz deshalb „als einen Beitrag zur Selbstbefreiung der Kirche aus selbstverschuldeter Unmündigkeit“. Der Pfarrer hält eine erbauliche Predigt über Sinn und Freuden des Ehestandes. „Schön hat er gesprochen“, sagt ein Mann zu seinem Freund, als sie die Kirche verlassen. – „Sehr schön“, antwortet dieser: „Ich wollte, ich verstünde genauso wenig von der Sache wie er.“ --Ein Papst, der sich bescheiden als „Diener der Diener Christi“ verstände und sich entsprechend verhielte, könnte über den herrschenden Unfehlbarkeitswahn und das imperialistische Verständnis des Katholischen lachen, wie es Johannes XXIII. getan hat. Aber Benedikt XVI. hat in präpotenter Weise den evangelischen Konfessionen den wahren Kirchencharakter abgesprochen. Und für die Bekehrung der Juden muss wieder gebetet werden. Der mutige katholische Historiker Friedrich Heer hat solche Pervertierung des katholischen Christentums pointiert charakterisiert: „Alleinseligmachende Institutionen verhalten sich praktisch als geschlossene Anstalten, wie Kerker und Irrenhäuser.“ Johannes XXIII. sagte einst: „Autoritäres Gehabe erstickt das Leben, es verwechselt Schroffheit mit Stärke, Starre mit Würde. Patriarchalismus ist eine Karikatur von Väterlichkeit, sie belässt die Menschen in der Unreife, um die eigene Überlegenheit zu wahren.“ Es ist naheliegend, dass im klerikalen Witz das Autoritätsproblem dominiert, begleitet von der Sexualität. Etwa so: Was haben Priester und Spargel gemeinsam? – Wenn sie oben violett werden, werden sie ungenießbar. Oder: 3

Jeder Mensch hat einen Vogel. Nur hohe Kleriker glauben, es sei der Heilige Geist. Und: Gott ist überall, nur nicht in Rom. Dort sitzt nämlich sein Stellvertreter. Dieser alte Witz bringt´s auf den Punkt: Die römischen Kurienkardinäle machen einen Ausflug und besteigen ein Schiff auf dem Albaner See. Ein heftiger Sturm bringt das Boot in größte Not. Zuletzt kentert es und keiner der Kardinäle kann schwimmen. Wer wird gerettet? Die Kirche! --Da fällt mir ein von humorvoller Selbstironie erfüllter genialer Witz ein: Als Napoleon am Gipfel seiner Macht war, strebte er zur Sicherung seiner Position ein Konkordat mit dem Papst an. Ercole Kardinal Consalvi, der Staatssekretär von Pius VII., verhandelte trotz seiner schwachen Position so überlegen und geschickt, dass Napoleon die Nerven verlor und verärgert drohte: „Ist Ihnen klar, Eminenz, dass ich imstande bin, Ihre Kirche zu zerstören?!“ – Da antwortete Kardinal Consalvi: „Sire, nicht einmal wir Priester haben das in achtzehn Jahrhunderten fertiggebracht!“ --Das Verhältnis des Vatikans zur besseren Hälfte der Christenheit, zu den Frauen, ist tief gestört. Der heiliggesprochene Papst Pius X. hat vor hundert Jahren nicht nur die Laien als „Feinde der Kirche“ bezeichnet; er hat auch verboten, dass Frauen im Kirchenchor singen, weil das ein „liturgischer Akt“ sei, der allein den Männern vorbehalten wäre. Das war nicht durchzusetzen. Damals waren sogar die Bischöfe ungehorsam! Vor etwa fünfundzwanzig Jahren erklärte der Vatikan, warum Frauen die Priesterweihe nicht bekommen könnten: „weil ihnen die natürliche Ähnlichkeit mit Jesus fehle!“ Wer das fassen kann, der fasse es! Zwei Kapläne treffen sich. Da erzählt der eine: „Stell dir vor: als ich gestern abends heimkomme, liegt eine wunderschöne nackte Frau auf meinem Bett. Ich habe sofort eine Decke geholt und sie zugedeckt. Was hättest denn du getan?“ – „Ich hätte genauso gelogen wie du!“ --Im folgenden Witz wird das katholische Über-Ich herzhaft mit den eigenen Waffen geschlagen: Die verliebte Resi kniet in der Dorfkirche vor dem Marienaltar und betet innig: O Gottesmutter Maria! Du hast empfangen, ohne zu sündigen. Gib, dass ich sündigen kann, ohne zu empfangen!“ --Was ist der Unterschied zwischen einem Wegweiser und einem Pfarrer? – Es ist kein Unterschied. Beide zeigen den Weg, gehen ihn aber nicht. 4

--In diesem Witz überlisten verdrängte Wünsche einen frommen Prediger: Der neue Kaplan predigt vor den jungen Burschen des Dorfes. Er empört sich über deren leichtfertige Liebschaften und sagt: „Ihr schaut immer nur aufs Äußere, auf das hübsche Gesicht und die schönen Kleidchen! Ich aber sage euch: Ihr müsst auf das sehen, was darunter ist! --Der Selbstzerstörungskurs der katholischen Kirchenleitung wird noch einige Zeit weitergehen. Denn der „Fels Petri“ ist aus Kalk. Und die sogenannte katholische Intelligenz ist weithin bequem und feige. Doch in den Gemeinden ist Leben. Sie werden es trotz allem verkraften, dass sich die Oberleitung vom Volk Gottes abgespalten hat, sozusagen in einem Schisma lebt – was schon komisch ist. Aber aus einem meiner Hobbys, der Beschäftigung mit Paläozoologie, ergibt sich ein Bild der Hoffnung: Bevor die Saurier ausgestorben sind, kamen riesige Exemplare. Bevor die Ammoniten ausgestorben sind, entstanden Riesenammoniten. Und bevor die papalistisch-klerikalen Herrschaftsformen aussterben, blähen sie sich noch mal kräftig auf. ___________________ Dr. theol. Dr. phil. Alfred Kirchmayr, unorthodoxer Psychoanalytiker, Humorexperte, Autor, Witzlandschaftspfleger in witzloser Zeit und Theologe mit kirchlichem Lehrverbot, lebt in Wien. Passend Hierzu: Alfred Kirchmayr,

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Die namentlich adressierte Aussendung erfolgt von Dr. Herbert Kohlmaier und em. Univ. Prof. Dr. Heribert Köck als Herausgeber mittels E-Mail an 924 Empfänger insbesondere in Österreich, Deutschland und der Schweiz mit deren Einverständnis. Häufig erfolgt eine Weiterversendung – diese sowie eine sonstige Verwendung sind unter Beachtung der Gebote korrekten Zitierens des jeweiligen Autors frei. Kontakt: 1180 Wien, Eckpergasse. 46/1, Tel. (+43 1) 470 63 04, E-Mail: [email protected] (Köck). 1230 Wien, Gebirgsgasse 34, Tel. (+43 1) 888 31 46, E-Mail: [email protected] (Kohlmaier), 5

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Deshalb möchte ich in Zeiten, wo sich die katholische Kirchenleitung in vielerlei Hinsicht kon- sequent auf Selbstzerstörungskurs bewegt, zur Förderung der ...

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