Lilly Küber (12 Jahre), Künzell/Fulda Respekt… oder vielmehr Disrespekt Da stand er also, der neue Referendar. Komisch angezogen war er und riesige Glubschaugen prägten das unschuldige Kindergesicht, auf dem ein fussliges Büschel roter Haare wuchs, nur noch mehr. Nur seinen Namen wusste ich, das heißt, die ganze Klasse noch nicht. Wahrscheinlich so ein peinlicher, aßbachuralter Name, wie Lutz oder Ulf oder - ,,…Elmar Rübrich! Ich unterrichte neben Naturwissenschaften auch Mathematik und Religion.“ Aha! Da hatten wir es schon! Elmar Rübrich, bewahre mich! Und wie er das “E” bei Elmar betonte! ,,Wie alt sind Sie?” Natürlich kam dieser Kommentar von Julius, dem Klassenclown, Besserwisser und Unruhestifter. Er hatte die lästige Angewohnheit, bei jeder Gelegenheit einen geradezu dümmlich unverschämten Kommentar beizusteuern und sich noch dazu einfach die Freiheit nahm, sich nicht zu melden. Manche Lehrer boten ihm zwar ordentlich Paroli, aber andere hingegen konnten sich einfach nicht wehren. Herr Rübrich scheinbar auch nicht. ,,Pardon, wie bitte?”, stotterte er verwirrt. Er war viel zu höflich zu Julius, stellte ich fest. Der feixte frech und funkelte den arglosen Referendar gehässig an. Natalie, unsere Streberin in der Klasse, meldete sich. Sie hatte die sechste Klasse übersprungen und bekam nun auch bei uns, in der 7C - wie Chaos, immer die besten Noten. Wahrscheinlich übersprang sie auch noch die Siebte. ,,Ja, ähm…”, räusperte sich Herr Rübrich. ,,Natalie”, half sie ihm brav und stets manierlich nach. Er nickte ihr zaghaft zu. Himmel, wie der arme Kerl schwitzte! Seine knochigen, rissigen Monsterhände zitterten wie verrückt. In seiner übrigens sehr bleichen und durchscheinenden Haut wollte ich gewiss nicht stecken. ,,Er, also Julius interessiert sich offenbar für ihr Alter”, sagte Natalie und rümpfte, mit leicht missbilligendem Blick auf Julius, ihre knollige Nase. ,,Wie?”, erkundigte sich der sichtlich errötete Referendar. Manche seufzten, andere stöhnten und einer krähte: ,,Schwerhörig, was?!” Alles in allem gab er kein besonders liebreizendes Bild ab, oder sollte man besser „Ton“ sagen? Bestimmt sah sein Traumtag für den Start als zukünftiger Lehrer anders aus. Aber ich sage dazu nur: Schicksal! Nun wurde das harmlose Rot zu einem peinlichen Magenta, was sich ganz garstig mit seinem roten Haar biss. Als niemand antwortete, nahm es das stillste, geradezu unauffälligste Mädchen in die Hand. Viktoria! ,,Sie- siebenundzwanzig”, flüsterte sie. ,,Hä?”, machte Julius unverblümt. ,,Siebenundzwanzig Jahre”, wiederholte sie diesmal etwas lauter, sodass jeder sie verstehen konnte. Sogar Herr Rübrich, der es ja mit dem Verstehen nicht so sehr hatte. Und - wen wundert´s noch? Er wurde grün, als ob ihm übel wäre. Jetzt war es so still, wie vermutlich noch nie in diesem Raum. Alle Blicke galten Viktoria in der hintersten Ecke, die genauso unwirklich schien, wie sie selbst. Man sah ihr an, dass sie sich wünschte, der hässliche Klassenzimmerboden würde sich auftun

und sie verschlucken, so peinlich schien es ihr zu sein. ,,Woher weißt´n das?” Das galt natürlich auch Julius, der ungerührt das Schweigen brach. Ein äußerst dicker Kloß schien in ihrem Hals zu stecken. So dick, dass man nur ein sehr leises Hauchen wahrnahm. ,,Mein Cousin”, war das Einzige, was ich verstand. Noch eine Schreckenssekunde harrten wir vollkommen still aus, dann begann ein schrecklich schrilles, ohrenbetäubendes Gelächter. Viktoria stiegen die Tränen in die Augen und verstohlen wischte sie sich eine Träne daraus. Dann stürmte sie mit einem von Angst verzerrten Gesicht aus der Tür, aber nicht, ohne dabei ihre Flasche vom Tisch zu fegen. Elmar Rübrichs Gesichtsfarbe wechselte von dem hässlichen Grün zu einem blassen Weiß, welches leider ebenfalls keinen schönen Kontrast zu seinem Haar bildete. Zu aller Erleichterung klingelte es zur großen Pause und Julius packte seinen Fußball. Ungerührt wollte er losstürmen, doch Mike, der größte Idiot der Klasse (ja, noch größer, als Julius), stellte ihm ein Bein und lauter, als erwartet knallte er auf den Boden. Mike und einige andere Jungs aus der Klasse lachten laut und spöttisch. Diesmal war Julius es, der hochrotanlief. Er blutete aus der Nase und hielt etwas hoch, dass aussah - oh Gott! Er hielt seinen Zahn hoch. Leider war dies kein Milchzahn. Herr Rübrich fuhr hastig herum und plötzlich war es ganz still. Jede Schüchternheit, jede Unbehaglichkeit verschwand aus seinem Gesicht. ,,So! das reicht! Es ist wirklich genug für heute!” Wow, wie laut er doch werden konnte! Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Er richtete seinen Blick auf Mike. ,,Du!”, er sah Mike an. ,,Du gehst augenblicklich in die Cafeteria und besorgst ein Glas Milch. Das bringst du mir ins Sanitätszimmer – ich warte dort mit Julius auf dich -, damit wir den Zahn vielleicht noch retten können.“ Mike ließ die Schultern hängen und Julius funkelte ihn mordlustig an. Er hielt sich den Mund. Mike rannte nickend aus dem Zimmer. Herr Rübrich packte Julius am Arm, nahm mit der anderen seine Aktentasche und sah uns an. ,,Ihr könnt in die Pause gehen!“ Er verschwand mit Julius um die Ecke. Als ich zum Ende der Pause am Schultor vorbeilief, sah ich dort den Referendar stehen, der sich soeben mit Julius´ Eltern unterhielt und diesen gerade ein Glas Milch, in dem sich vermutlich der Zahn befand, in die Hand drückte. Julius hatte ein Pflaster auf der Nase, und als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, prangte dort anstelle des linken oberen Schneidezahns eine schwarze Lücke. Als ich an der Familie und Herrn Rübrich vorbeilief, hörte ich, wie Julius gerade mit kleinlautem Gesicht zu Herrn Rübrich sagte: ,,Es tut mir leid, wegen vorhin …also, dass ich so unhöflich war. Ich fand es echt nett von Ihnen, dass sie mir, obwohl ich so unhöflich war, geholfen haben. Entschuldigung nochmal und danke”, fing ich auf. Oje, er würde sich wegen dieses Satzes trotz Mikes Attacke noch etwas anhören müssen, denn seine Eltern sahen ihn streng an. Herr Rübrich nickte vernünftig, konnte aber das Lächeln, welches über sein Gesicht huschte, nicht verbergen, verabschiedete sich, wünschte eine gute Besserung und ging in Richtung Lehrerzimmer. Julius stieg in das Auto seiner Eltern ein und sie fuhren los, Richtung Zahnarzt, der seinen Zahn einsetzen sollte.

In den nächsten zwei Tagen, verbreitete sich die Geschichte mit Julius, Mike und Herrn Rübrich wie ein Lauffeuer. Fast jeder respektierte und bewunderte ihn dafür. Vor allem für sein medizinisches Wissen mit der Milch und seine so plötzlich selbstsichere und umsichtige Art, mit der er die Situation beziehungsweise den Zahn gerettet hat. Der Referendar, der so komisch aussieht und anfangs so unsicher wirkte, schien nun ein größeres Selbstbewusstsein zu haben. Er ging mit erhobenem Haupt durch die Flure. Respekt ist eine Sache, die Julius durch diese Situation gelernt hat und ihm wohl den Rest seines Lebens in Erinnerung bleiben wird. Herrn Rübrich wohl auch....

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