24

Tages-Anzeiger – Freitag, 23. Oktober 2015

Bellevue Züritipp

Projekt Muskelberg Fitnesstest (1)

Ein untrainiertes Häufchen Mann

Gastro Tiger küsst Kuh

Herr Jakob Zürichs Gastronomen scheint derzeit eine Frage zu beschäftigen: Wie lässt sich das Bedürfnis nach gesunder, saisonaler und nachhaltig produzierter Kost mit der Lust auf Fast Food unter

einen Hut bringen? Das Herr-Jakob-Team hat die Antwort auf diversen Kontinenten gesucht und eine Karte mit unkomplizierten Gerichten zusammengestellt. (ak) Müllerstr. 31, www.herr-jakob.ch

Club Nerd mit Funk

Konzert Mundartpop

Jungle

Schoedo

Mit ihrer Band Jungle haben Josh Lloyd-Watson und Tom McFarland die Musikwelt erobert. Jetzt treten die beiden Westlondoner und bekennenden Plattensammler-Nerds als DJs auf. Ihr Spektrum soll sehr breit sein und von 70s-Funk bis zu Electro reichen. (cix) Exil, Hardstr. 245, 23 Uhr

«Truurige Lieder» heisst die neue, totenkopfbedruckte Platte von Schoedo. In Schockstarre verfällt man aber keineswegs, schon das Eröffnungslied ist das zynisch-heitere «S’Grosi». Später wird auch dem FCZ gehuldigt. Wobei, das ist schon eher ein trauriges Thema. (duk) Zukunft, Dienerstr. 33, 20 Uhr

Freitag Kino Höhenfeuer Von Fredi M. Murer CH 1985; 115 min. Filmpodium, Nüschelerstr. 11, 15 Uhr The Man Without A Past Von Aki Kaurismäki Fin/D/F 2001; 97 min. Xenix, Helvetiaplatz, 21 Uhr

Konzerte Zermatt Unplugged Mit Band of Horses (USA), Billy Locket (GB), Cat Power (USA), Moes Anthill u. a. Kaufleuten, Pelikanplatz, ab 18 Uhr

Das faule Selbstverständnis

Sibylle Aeberli Comedy. «Selfmade Glamour» Helsinki, Geroldstr. 35, 20.30 Uhr

A point Restaurant Holzschopf, Zürich

Familie/Kinder Fratelli Theater. Ab 10 Jahren Schiffbau, Schiffbaustr. 4, 18 Uhr Escape Lesung mit Autorin Petra Ivanov Kanzlei, Kanzleistr. 56, 19 Uhr Foto: Thomas Egli, PD, Anzeige

Clubs

Tropical Continent Soundsystem Techno Stall 6, Gessnerallee 8, 23 Uhr

Da hing ich also. Schlaff wie ein melancholisches Faultier. Ich hatte einen einstündigen, schweisstreibenden Fitnesstest hinter mir und sollte jetzt zu den bereits vier getätigten Klimmzügen einen weiteren hinzufügen. Sara Steinmann, mein Personal Coach der nächsten Wochen, rief mir von unten irgendetwas Aufmunterndes zu. Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft zum Hinhören. Beim Gedanken, mein Kinn noch ein verdammtes letztes Mal über die Stange zu hieven, nahm ich in Gedanken bereits Abschied von diesem Projekt, das mir Muskeln verpassen sollte: Was sollte mich in dieser Quälkammer mit dem Namen My Gym noch halten? War ich bisher nicht ziemlich gut ohne Muskeln durchs Leben gekommen? Ich liess los. So endete also meine erste Lektion Crossfitness an der Zweierstrasse in Wiedikon. Auf dem harten Boden. Als nasses, untrainiertes Häufchen Mann.

Sapone blu Theater. Von und mit Enzo Scanzi Kulturmarkt, Aemtlerstr. 23, 20 Uhr

Bühne

Ensemble Le Buisson Prospérant Werke von Bach. Eintritt frei. Kirche Fraumünster, Stadthausquai 19, 19 Uhr

DJ Team Hi Tymes Rock ’n’ Roll/Funk Helsinki, Geroldstr. 35, 23 Uhr

Yann Cherix

Es ist nicht klar eruierbar, was mich nach 38 Jahren dazu getrieben hatte, zum ersten Mal ein Fitnessstudio zu betreten. Ich war bisher immer ein bisschen stolz gewesen, ganz ohne Fitnessprogramm ausgekommen zu sein. Belustigt hatte ich meine Mitmenschen beobachtet, wie sie sich streberhaft den Ansprüchen der Optimierungsgesellschaft auslieferten. Sollen sie doch rennen und stemmen, bis sie quicklebendig in den Sarg fallen. Unbeeindruckt blieb ich von all den Mannsbildern, die mir die Werbung und das Fernsehen zeigten. Und in der Garderobe meines Fussballclubs sagte ich mir stets, beim Anblick der Sixpacks und modulierten Bizepse: «Ich bin der Supertechniker, der Freistossspezialist. Ich darf so aussehen.» Und jetzt lag ich also keuchend am Boden und blickte an die Decke dieses Tempels des Körperkults. Ich war ein Teil dieser Bewegung. Warum hatte ich kapituliert und mein faules, aber cooles Selbstverständnis von Sport aufgegeben? Vielleicht ist es die Aussicht auf das zweite Kind, das ich Nächstes herumzuschleppen habe. Vielleicht war es dieser muskelbepackte Teenie, der letzthin selbstbewusst ins Tram stieg und mich irgendwie verunsichert hatte. So hatte ich nie ausgesehen. Vielleicht

Blackberry Smoke Rock Dynamo, Wasserwerkstr. 21, 19 Uhr

Vergissmeinnicht House/Techno. Mit DJs Drago Ungureanu, Florian Rietze u. a. Frieda’s Büxe, Friedaustr. 23, 23 Uhr

Endlich Muskeln, endlich Körperspannung. Ein Redaktor setzt sich dem Regiment einer persönlichen Trainerin aus. Und fängt auf dem Boden der Tatsachen an.

Schtärnefoifi im Märlisalat * Mit «Heicho – ohni Znacht is Bett» rocken Schtärneföifi seit 20 Jahren jedes Kinderzimmer und touren nun mit ihrem Jubiläums-Musical durch die Schweiz. Regie: Meret Matter Weitere Infos unter www.kindermusicals.ch 01.11.2015, 14 Uhr, Affoltern am Albis ZH 08.11.2015, 14 Uhr, Jona SG * Anzeige gebucht über eventbooster.ch

Lasst den Leidensweg beginnen! Der Autor beim Beinheben. Foto: Jaudas / Egli

ist der Grund für meinen Seitenwechsel auch ganz profan: eine letzte bescheuerte Herausforderung, bevor ich in den Club der 40-Jährigen komme.

Slapstick statt Beweglichkeit Das freundliche Gesicht von Sara, diesem Superweib mit Bärenkräften, schob sich in mein Blickfeld. Sie sagte: «Gut gemacht. Aber wir haben in nächster Zeit Arbeit vor uns.» Sara Steinmann, die an CrossfitnessWettbewerben teilnimmt und mit den Weltbesten mithalten kann, weiss Bescheid über mich. Sie kennt meinen Körperfettanteil. «14,81. Das ist für dein Alter okay. Auch wenn sich das Ganze etwas ungleich verteilt.» Wir musterten beide meinen Bauch, der sich unter dem T-Shirt abzeichnete. Und sie kennt nach

diversen Tests, alle mit dem sogenannten Functional-Movement-System (FMS) ermittelt, auch meine körperlichen Schwachstellen. Ich hatte besonders bei der Beweglichkeit keine guten Noten abgeholt. Die Aufforderung, die Fäuste quer hinter dem Rücken zusammenzuführen, geriet zur Slapsticknummer. «Schulterbereich und Rumpf, da gibts viel zu tun. Die Power in den Beinen ist aber ziemlich gut.» Das Lob half. Ich stand auf. Sara verlangte nach einem High five. «Wir sehen uns nächste Woche», sagte sie fröhlich. Ich schlug müde ein. Zuerst musste ich diesen bitteren Tag der Wahrheit verdauen. Alle Erfahrungsberichte mit Sara Steinmann aus dem My Gym auch als Blog auf www.tagesanzeiger.ch.

Mini Beiz, dini Beiz Da er mich anflehte, ich dürfe das «ja nicht vergessen», erledige ich es gleich als Erstes: Ich soll Sie herzlich grüssen, werte Leserinnen und Leser! Vom Herrn Reuss, unserem Ex-«Bellevue»-Kollegen, dessen Unterleibchen wir an die Decke gehängt hätten (wie das Sportclubs in den Heimarenen mit den Trikots der zurückgetretenen Helden tun), wenn unser Facility-Management nicht sein Veto eingelegt hätte, wegen «möglicher toxischer Emissionen» oder so. Jedenfalls führte ich Kumpel Reuss zum Geburtstagsessen aus, und wegen persönlicher Sparmassnahmen verknüpfte ich das freiwillige Vergnügen praktischerweise gleich mit der Pflicht des beruflichen Restauranttests. Und da kommt nun eine Art zweiter Kumpel ins Spiel. Er heisst Holzschopf, was leicht irritieren mag, bis man begreift: Aha, gemeint ist wohl das Gastlokal. So ist es. Tatsächlich war es Freundschaft auf den ersten Blick (und bald darauf auch auf den ersten Bissen und

ersten Schluck): Die Atmosphäre gab sich leger wie ein Couch-Potato, überall hockte plaudernd und tafelnd unszeniges Jungvolk, das Apéro-Bier durften wir – wie grandios ist das denn! – selbst aus dem Kühlschrank holen. All dies erfreute und verblüffte den Herrn Reuss und mich gleichermassen, weil wir bei unserem einzigen bisherigen Besuch – auf einer Trinktour anno 2009 – den Holzschopf sehr anders erlebt und sehr anders beschrieben hatten, nämlich so: «Darunter (Anm. d. Red.: Gemeint war ein Sonnenschirm im Gärtli) steht der Stammtisch, an dem die Dorfältesten stumpen- und pfeifenrauchend die politischen Probleme, die Planung des Grümpelturniers und die schwierige Jugend besprechen würden, wenn es hier ein Dorf gäbe. Gibt es aber nicht, also handelt es sich wahrscheinlich um die HeinrichstrassenÄltesten, die hier debattieren.» Tempi passati. Nun ist ein jüngeres Team am Tresen und am Herd, und dieses setzt auf ein offenes und abwechslungsreiches Gastrokonzept, bei dem regelmässig Gastköche zum Zuge kommen. Bei unserem Besuch war das Peter, geboren in Hamburg und üblicherweise im Kafischnaps aktiv.

Sein Speiseangebot war so, wie mans mag: klein, aber fein. Als Ehrengast hatte Reuss Vorwählrecht, er orderte den Salat mit hausgebeiztem Lachs (14.50 Fr.) und das Rehragout mit Tagliatelle, Wildsau-Marmelade und Mischpilzen (32 Fr.). Er versprach, per Mail sein Verdikt durchzugeben (es wäre bestimmt komplex-poetisch formuliert gewesen, leider hat ers vergessen), ich weiss aber, dass es ihm ausgezeichnet mundete. Ich orderte schliesslich den Rest des peterschen Programms: die Steckrübensuppe mit geräuchertem Aal (13.50 Fr., eine fantastische Kombi), die Serviettenknödel mit Pilzragout und Wirz (23 Fr., vegetarisch kann soooo wunderbar sein) und die Quittenglace mit Marronikuchen (11.50 Fr., eine herbsüsse Verführung). Kurz: Der Abend war derart reich an Genuss und Glück, dass ich gar eine SRF-Plagiatsklage riskiere, indem ich resümiere: Das, lieber Gastrofreund, ist mini Beiz und dini Beiz! Thomas Wyss Restaurant Holzschopf, Heinrichstr. 112, 8005 Zürich. Tel. 044 271 38 50. Di bis Fr 10–14 und 16–24 Uhr. Sa 16–24 Uhr. www.restaurant-holzschopf.ch

Tages-Anzeiger_Projekt Muskelberg_Fitnesstest (1)_Oktober 2015.pdf

Tages-Anzeiger_Projekt Muskelberg_Fitnesstest (1)_Oktober 2015.pdf. Tages-Anzeiger_Projekt Muskelberg_Fitnesstest (1)_Oktober 2015.pdf. Open. Extract.
Missing:

205KB Sizes 6 Downloads 18 Views

Recommend Documents

No documents